Zu den knappen Ressourcen unserer westlichen Lebensbedingungen gehört die Zeit. Wer sich Zeit nimmt oder gar über Zeit verfügt, gilt je nach dem als Sonderling, als Glückspilz, Aussteiger, Parasit, Systemverweigerer oder gar als Taugenichts. Als solcher wird er dann auch mehr oder weniger abgestraft von den zünftigen Zeitnützern.
Die Texte und Bilder dieses Büchleins sind wie ein Kurzprotokoll einer «Zeit-Nahme» im Raume eines unspektakulären und leisen Bergtales, das aber bereits in seinem Namen eine sprechende Bedeutungsvielfalt birgt: GOMS deutet in mehreren Ableitungen seines Namens auf eine ausgeprägte Talform hin (concava: eingewölbt - kumba: Talmulde - concha: Muschel - contze: Brunnentrog): Lauter Namensverwandtschaften, die irgendwie auf eine offene, einlassende und ruhende Topographie hinweisen.
Im Zeithaben kann Stille entstehen, wo auch Leises wahrnehmbar, wo Übersehenes angesichtig wird und Interessloses Worte freigibt. Hildegard Aepli hat offensichtlich die eigene Ruhe und die nötige Zurückgezogenheit gefunden, um ihrem Sommeraufenthalt in diesem Bergtal einen verinnerlichten Ausdruck in Wort und Bild zu verleihen. Zweiunddreissig handgesetzte Textminiaturen punktieren zusammen mit eben so vielen eigenen Fotobildern diesen Sommerpfad. Es ist ein Weg vom «wortlosen Verstummen vor so schlichter Pracht», von der «Leiter, die im Schauen wächst» bis in die Nähe der «ergriffenen Mitte» und dem Allegretto des «Spring Auge spring?und sing».
Das «Goms im Sommerkleid» wird hier ohne falsches Pathos oder touristische Vereinnahmung intoniert, behutsam und sinnenwach, auch unverwortet spirituell: «Worte zwischen den Zeilen treffen die Innenhaut».
Die Autorin ist mit ihrem kleinen Werk keiner Anmassung verfallen, vor der etwas Friedrich Nietzsche warnt: «Wann wäre je Natur im Bilde abgetan? Unendlich ist das kleinste Stück der Welt». In diesem Sinne sollte man dieses Büchlein in die Hand und in die eigene Zeit nehmen.
Franz Hobi