Seit der Spanischen Grippe gab es kein einschneidenderes weltweites Ereignis dieses Ausmaßes wie die Corona-Pandemie. Buchstäblich über Nacht wurden für selbstverständlich gehaltene Freiheiten beschränkt, natürlich auch in der Schweiz. Wo der Austausch mit den Nachbarn eine lange Tradition hat, die Landesgrenzen gefühlt nur noch auf dem Papier bestehen und der Grenzverkehr einen wirtschaftlich relevanten Faktor darstellt, ist die fast vollständige Abschottung eine besondere Herausforderung. Darüber hinaus wurde die jahrhundertealte helvetische Überzeu¬gung der Unverletzbarkeit durch diese globale Bedrohung tiefgreifend und umfassend erschüttert.
Jan Sulzer hat die absurd anmutenden, plötzlich aufgetauchten, teilweise massiven und teilweise improvisierten Grenz-Barrieren der Schweiz zu ihren Nachbarstaaten dokumentiert. Sein fotografisches Interesse liegt dabei auch auf dem "architektonischen" Aspekt und der sich daraus ergebenden Ästhetik: Die Absperrungen wirken wie Installationen im öffentlichen Raum, mal mehr, mal weniger in die Umgebung eingebettet, mit unterschiedlichen Materialien auf unterschiedliche Weise konstruiert. Es sind Barrikaden auf Straßen, in Vorgärten, durch Wohngebiete, auf Brücken und vor Haltestellen, sogar Absperrungen kleinster Waldwege - das verständliche Bedürfnis nach Schutz vor einer lebensbedrohlichen Krankheit trifft auf bürokratische Regelwerke. Die Bilder sind Mahnmal einer Situation, die sich hoffentlich nicht so schnell wiederholt.