Seelisches Leiden ist nur verstehbar "vom Grunde unseres gemeinsamen menschlichen Loses aus". Das vorliegende Buch radikalisiert
diese Erkenntnis Ludwig Binswangers. Die Autorin entdeckt im seelisch leidenden Menschen einen "Philosophen wider Willen" - anhand zahlreicher Beispiele zeigt sie, dass seelisches Leiden in einer besonderen "Hellhörigkeit" für die Grundbedingungen des Menschseins wurzelt. Wer hellhörig ist, wird unfreiwillig mit der eigenen Existenz konfrontiert und von dieser Konfrontation überfordert.
Um den verborgenen Sinn dieser rätselhaften Erfahrungen zu verstehen, werden nicht nur Kierkegaard, Heidegger und Sartre herangezogen, sondern auch Sigmund Freud. Denn auch ein philosophisches Verständnis seelischen Leidens knüpft an Freuds Einsicht an, dass psychopathologische Symptome sich zwar als bloße Störungen manifestieren, dass sie aber einen - unbewussten - Sinn in sich tragen. Der letzte Teil widmet sich den therapeutischen Konsequenzen dieser existenzphilosophischen Auffassung seelischen Leidens. Die Autorin entwickelt dazu das Konzept eines daseinsanalytischen Verstehensprozesses. Es lehnt sich an die drei Grundregeln Freuds an und ermöglicht dadurch eine Auseinandersetzung mit den angst-, schuld- und schambeladenen Existenzerfahrungen.