Mit farbigen Zeichnungen von Jakob
Was der Vater beim Hüten seines Sohnes erlebt, verwirrt ihn:
Jakob scheut sich, seinen eigenen Bauchnabel anzuschauen. Er
hat Angst vor Delphinen, ob in einem Tierlexikon oder in Form
eines Luftballons. Beim Anfassen von Tomaten und Gurken muss
er sich übergeben. Stürzt er beim Laufen, so weint er nie. Am
Morgen, nach dem Erwachen, reisst er im Schlafzimmer aus lauter
Freude die Vorhänge herunter. Oder dreht sich mit ausgebreiteten
Armen im Kreis. Er liebt Lastwagen und Autos über alles,
und also auch das stundenlange Stehen an Strassenkreuzungen.
Was ihn beschäftigt, zeichnet er mit seinen Händen in die Luft,
macht dazu Geräusche, die hin und wieder an Worte erinnern.
Die wildesten Katzen hören auf seine Stimme und liegen ihm zu
Füssen.
Schon wenige Monate nach der Geburt wird die Ärztin sagen,
etwas stimme nicht, Jakobs Kopf sei zu klein. Drei Jahre später
die Diagnose: terminale Deletion 13q, eine seltene Genmutation,
die genauso rätselhaft tönt, wie sie sich die ganze Zeit zuvor
schon geäussert hat. Mit seiner Eigenwilligkeit führt das Kind
den Vater mitten ins Leben - und oft dorthin, wohin er nicht will.
Ja, Jakob, sagt der Vater eines Tages zu seinem Sohn, so, wie du
bist, ist es gut: Du bist meine Leiter zum Himmel!
Die Texte von Christoph Schwyzer umfassen die ersten fünf
Lebensjahre von Jakob. Sie schliessen sich zu einem ergreifenden,
in unzähligen Farben leuchtenden Porträt seines Sohnes
zusammen. Sie folgen aber auch der Spur, wie sich zwei Menschen,
die sich gegenseitig nicht ausgesucht haben, sondern
einander geschenkt wurden, in ihrer Eigenart verstehen und lieben
lernen. Ein Buch, das sich nicht scheut, von Widersprüchen
und von Verzweiflung zu erzählen. Ein Buch auch, das sich dem
Geheimnis eines Menschen nähert, ohne es je lüften zu wollen.
Und ein Geschenk an die Mutter, die Tag für Tag für Jakob da ist.
Ein Vater begleitet seinen Sohn auf dem Weg in die Welt und entdeckt diese neu. Jakob ist anders. Jakob redet auch als Fünfjähriger noch nicht, er trägt Windeln, bleibt stundenlang an Straßenkreuzungen stehen, ringt im Park dem Alkoholiker ein Lächeln ab. Und selbst die wildesten Katzen vermag er zu streicheln. Sieht Jakob in der Bahnhofshalle die feuerrote Kehrmaschine, kennt seine Freude keine Grenzen. Aber ebenso groß kann seine Angst sein, wenn er im Tierlexikon blättert und ihm der Delphin ins Auge springt oder wenn er in der Stadt einen Luftballon sieht. Stürzt er beim Laufen, so weint er nie. Jakobs Verhalten ist fu?r den Vater immer wieder Rätsel und Geheimnis.
In seinem Buch fängt Christoph Schwyzer Momente im Alltag mit Jakob ein - einem Kind, bei dem sich erst Monate nach der Geburt herausstellen wird, dass es geistig behindert ist. Die Texte, knapp in der Sprache, reich an Geschichten, öffnen Räume und Welten, ohne die Verzweiflung zu verheimlichen. Sie folgen der Spur von Vater und Sohn und zeigen, wie sich zwei Menschen, die sich nicht ausgesucht haben, verstehen und lieben lernen.